Datum: 22. September 2022

Repräsentative Umfrage zur Sicherheit von Schulwegen – Eltern und Lehrkräfte fordern umfangreiche Maßnahmen

Fast ein Drittel der Lehrerinnen und Lehrer an Grundschulen erlebt mindestens wöchentlich eine gefährliche Situation vor der eigenen Schule, die durch Eltern, die ihr Kind mit dem Auto zur Schule bringen, entsteht. Das geht aus einer heute veröffentlichten repräsentativen forsa-Umfrage hervor, die vom Verband Bildung und Erziehung (VBE), dem Deutschen Kinderhilfswerk und dem ökologischen Verkehrsclub VCD in Auftrag gegeben wurde. Befragt wurden 508 Grundschullehrkräfte sowie 500 Eltern 6- bis 10-jähriger Kinder. Ein deutliches Signal: Eltern als auch Lehrkräfte stimmen darin überein, dass es hilfreiche Maßnahmen gibt, um Schulwege sicherer zu gestalten und sie sind sich weitestgehend einig, welche dies sind. Fakt ist aber auch: In puncto Umsetzung erkennen beide Gruppen deutlichen Nachbesserungsbedarf.

Sicherheitsrisiko Elterntaxi

11 Prozent der Grundschullehrkräfte in Deutschland haben im letzten Schuljahr so gut wie täglich, 19 Prozent wöchentlich vor ihrer Schule eine gefährliche Situation erlebt, die durch Eltern, die ihr Kind mit dem Auto brachten, entstanden ist. Diese Zahlen sind alarmierend. Um den Verkehr vor Schulen besser zu regeln und sicherer zu gestalten, halten sehr große Mehrheiten der befragten Lehrerinnen und Lehrer sowie der Eltern (91 bzw. 93 Prozent) ausreichend breite, nicht zugeparkte Fußwege für hilfreich. Jeweils etwa neun von zehn Befragten bewerten sichere Überwege wie Zebrastreifen, Ampeln oder Mittelinseln, sowie für Hilfsangebote wie Schülerlotsen oder eine regelmäßige Unterstützung der Polizei als nützlich. Ebenfalls von mehr als acht von zehn Befragten beider Gruppen als hilfreich bewertet: Die Ermutigung von Kindern, den Schulweg eigenständig zu bestreiten.

Vorhandene Sicherheitsmaßnahmen: vielfach ungenügend

Danach gefragt, welche Vorkehrungen bzw. Aktivitäten bereits an ihrer Schule oder im schulischen Umfeld vorhanden sind, nennt eine große Mehrheit der Lehrkräfte die inhaltliche Arbeit in der Schule zum Thema Verkehr und Mobilität, also Mobilitätsbildung bzw. Verkehrserziehung (81 Prozent) sowie die Ermutigung von Kindern, den Schulweg eigenständig zu bestreiten (76 Prozent).

Ein Blick auf die Maßnahmen, die von den meisten Eltern als auch Lehrkräften als hilfreich erachtet werden, zeigt: In der Realität sind diese häufig nicht vorhanden. So sagen nur 27 Prozent der Eltern und 51 Prozent der Lehrkräfte, dass es ausreichend breite, nicht zugeparkte Fußwege vor Schule gibt. Nur 38 Prozent der Eltern und 58 Prozent der Lehrkräfte geben an, dass sichere Überwege vorhanden sind. Die verkehrspolitische Maßnahme, die laut Eltern (63 Prozent) und Lehrkräften (75 Prozent) am häufigsten vor Schulen umgesetzt ist, sind Geschwindigkeitsreduzierungen wie Tempo 30. Einen deutlichen Mangel erkennen Eltern und Lehrende auch bei sicheren Radwegen. Hier sagen nur 13 Prozent der Lehrkräfte und 12 Prozent der Eltern, dass diese im Schulumfeld vorhanden sind.

Fazit: Der Schulweg für Kinder muss sicherer gestaltet werden. Als hilfreich erkannte Maßnahmen müssen umgesetzt werden. Es zeigt sich aber auch, dass Eltern über vorhandene Maßnahmen besser informiert werden müssen.

Reales vs. gefühltes Verkehrsaufkommen vor Schulen

Von den befragten Eltern geben 47 Prozent an, dass ihr Kind derzeit hauptsächlich zu Fuß zur Schule kommt, 14 Prozent der Kinder kommen danach mit dem Fahrrad oder Roller. 17 Prozent der Eltern geben an, dass das eigene Kind mit dem Auto in die Schule gebracht wird. Auffällig dabei: Danach gefragt, wie viele Kinder regelmäßig mit dem Auto zur Schule gebracht werden, geben über zwei Drittel der Lehrkräfte und sogar vier von fünf Eltern an, dass dies bei mindestens 25 Prozent der Kinder der Fall ist. Dies verdeutlicht, dass das subjektiv wahrgenommene Verkehrsaufkommen vor Schulen deutlich höher zu sein scheint als das tatsächliche, es also ersichtlich zu viele Autos sind und dies ein enormes Gefährdungspotenzial für die Kinder darstellt.

Individuelle Bedürfnisse vs. Allgemeinwohl

Gefragt nach den wichtigsten Gründen, weshalb Kinder mit dem Auto zur Schule gebracht werden, geben Lehrkräfte und Eltern, auch in der Reihenfolge, sehr ähnliche Antworten. Der vermutete Hauptgrund ist danach Bequemlichkeit (Lehrkräfte: 66 Prozent, Eltern: 57 Prozent) gefolgt von Ängsten, das Kind allein den Schulweg bestreiten zu lassen (Lehrkräfte: 56 Prozent, Eltern: 43 Prozent) und der Verbindung mehrerer Wege (Lehrkräfte: 43 Prozent, Eltern: 38 Prozent).

Fazit: Obgleich es nachvollziehbare Gründe gibt, weshalb Eltern ihre Kinder punktuell mit dem Auto zur Schule bringen, so muss gleichfalls klar sein: Dies regelmäßig aus reiner Bequemlichkeit zu tun, darf kein Grund sein. Das Elterntaxi muss der Vergangenheit angehören.

Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE): “Die Politik muss dafür Sorge tragen, dass bedarfsgerechte verkehrspolitische Maßnahmen vor Ort umgesetzt werden. Eltern müssen erfahren: Der Schulweg meiner Kinder ist sicherer und einfacher geworden! Zudem braucht es mehr Zeit, Zeit und nochmals Zeit für eine gelingende Erziehungspartnerschaft. Das heißt: Endlich ausreichend Personal an Schule. Damit die Gestaltungsfreiräume entstehen, in denen Lehrkräfte angemessen auf die Ängste und Bedürfnisse von Eltern und Kindern eingehen, hilfreiche Angebote erläutern und Chancen auf dem Weg zu einer eigenständigen Mobilität von Kindern erläutern können. Wenn beides gelingt, werden sich mehr Eltern dazu entscheiden, ihr Kind nicht mit dem Auto zu bringen. Nur so können Gefahrensituationen für Kinder vor Schule reduziert werden.”

Anne Lütkes, Vizepräsidentin des Deutschen Kinderhilfswerkes: „Kinder haben eine sehr gute Einschätzung davon, was sie für einen sicheren Weg zur Schule oder in die Kita brauchen. Es darf deshalb nicht über ihre Köpfe hinweg entschieden werden. Ihre Ideen und Anregungen müssen in die entsprechenden Planungsprozesse einbezogen werden. Dafür sollten die einschlägigen Landesgesetze geändert werden. Gleichzeitig braucht es bei den Eltern ein besseres Verständnis dafür, dass sie ihren Kindern keinen Gefallen tun, wenn sie diese mit dem Auto zur Schule oder in die Kita bringen. Für die Orientierung im Raum, die körperliche Fitness und die persönliche Entwicklung ist die Bewegung zu Fuß, mit dem Roller oder mit dem Rad essenziell.“

Kerstin Haarmann, Bundesvorsitzende des ökologischen Verkehrsclubs VCD: „Damit Kinder ihren Weg zur Schule eigenständig zurücklegen können, brauchen wir überall sichere Rad- und Fußwege. Weniger als ein Drittel der Eltern bewertet die Fußwege im Schulumfeld als sicher. Geht es um sichere Radwege, ist es sogar nur ein Zehntel der Eltern. Hier besteht deutlicher Handlungsbedarf! Laut Umfrage kommen zudem 17 Prozent der Kinder mit dem Auto in die Schule. Bei einer Schule mit 1.000 Schülern bedeutet das: etwa 170 Autos vor dem Schultor. Alle zur gleichen Zeit. Dass das nicht funktionieren kann, müsste jedem einleuchten. Grundlegende Verbesserungen erreichen wir nur, wenn wir den Autoverkehr wirksam begrenzen: durch Halteverbote, Schulstraßen und Tempo 30.“

Die gesamten Umfrageergebnisse stehen unter www.dkhw.de/sichere-schulwege

Eine Forsa-Umfrage im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerkes zeigt, dass Sicherheitsmaßnahmen für Schulwege ungenügend sind.
www.dkhw.de

zum Download bereit.

Im Rahmen der repräsentativen forsa-Untersuchung wurden bundesweit insgesamt 508 Lehrkräfte an Grundschulen sowie 500 Eltern von 6- bis 10-jährigen Kindern befragt. Die statistische Fehlertoleranz beträgt für beide Zielgruppen jeweils durchschnittlich +/- 4 Prozentpunkte. Beide Erhebungen wurden vom 20. Juli bis zum 16. August 2022 im Rahmen des repräsentativen Panels forsa.omninet als Online-Befragung durchgeführt.

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Pressekontakt:

Deutsches Kinderhilfswerk
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Pressesprecher
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Das Deutsche Kinderhilfswerk e.V. setzt sich seit 50 Jahren für die Rechte von Kindern in Deutschland ein. Die Überwindung von Kinderarmut und die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an allen sie betreffenden Angelegenheiten stehen im Mittelpunkt der Arbeit als Kinderrechtsorganisation. Der gemeinnützige Verein finanziert sich überwiegend aus privaten Spenden, dafür stehen seine Spendendosen an ca. 40.000 Standorten in Deutschland. Das Deutsche Kinderhilfswerk initiiert und unterstützt Maßnahmen und Projekte, die die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen, unabhängig von deren Herkunft oder Aufenthaltsstatus, fördern. Die politische Lobbyarbeit wirkt auf die vollständige Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland hin, insbesondere im Bereich der Mitbestimmung von Kindern, ihren Interessen bei Gesetzgebungs- und Verwaltungsmaßnahmen sowie der Überwindung von Kinderarmut und gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe aller Kinder in Deutschland.

Der ökologische Verkehrsclub VCD ist ein gemeinnütziger Umweltverband, der sich für eine umweltverträgliche, sichere und gesunde Mobilität einsetzt. Im Mittelpunkt steht dabei der Mensch mit seinen Bedürfnissen und Wünschen für ein mobiles Leben. Seit 1986 kämpft der VCD für ein gerechtes und zukunftsfähiges Miteinander zwischen allen Menschen auf der Straße – egal, ob sie zu Fuß, auf dem Rad, mit Bus und Bahn oder dem Auto unterwegs sind. Dafür arbeitet er vor Ort mit zwölf Landesverbänden und rund 140 Kreisverbänden und Ortsgruppen, bundesweit und europaweit vernetzt. Rund 55.000 Mitglieder, Spender und Aktivistinnen unterstützen die Arbeit des VCD für eine zukunftsfähige Mobilität.

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) vertritt als parteipolitisch unabhängige Gewerkschaft die Interessen von ca. 164.000 Pädagoginnen und Pädagogen – aus Kinderbereich, Primarstufe, Sekundarstufen I und II und dem Bereich der Lehrkräftebildung – in allen Bundesländern. Der VBE ist eine der beiden großen Bildungsgewerkschaften in Deutschland und mitgliederstärkste Fachgewerkschaft im dbb Beamtenbund und Tarifunion. Unter dem Dach des dbb vertritt der VBE gleichermaßen die Interessen der verbeamteten und tariflich beschäftigten Mitglieder. Er setzt sich für die Stärkung des Lehrer:innenberufs, eine an der Profession orientierte Lehkräftebildung, die Anerkennung der Gleichwertigkeit der Lehrämter und eine gleiche Bezahlung für alle Lehrerinnen und Lehrer aller Schulformen ein. Er fordert für die Erzieherinnen und Erzieher eine Ausbildung an Fachhochschulen auf europäischem Niveau.

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